Staaten mit strategischen Mängeln aus Sorgfaltpflichtsoptik

Aus Sorgfaltpflichtsoptik kommt der Risiko-Kategorie “Bezug zu einem Staat mit strategischen Mängeln” eine zentrale Bedeutung zu.

Das Liechtensteinische Sorgfaltspflichtgesetz sieht gem. Art. 11a SPG vor, dass bei Mandaten oder Transaktionen mit einem Bezug zu Staaten mit strategischen Mängeln automatisch verstärkte Sorgfaltspflichten anzuwenden sind (nach Anhang 2 Abschnitt B SPG).

In der Folge wird in diesem Blogartikel insbesondere auf folgende Aspekte im Zusammenhang mit der Sorgfaltspflichtoptik eingegangen:

  • Was sind überhaupt Staaten mit strategischen Mängeln? Wer identifiziert diese und nach welchen Kriterien?
  • Wo sind die Staaten mit strategischen Mängeln im Liechtensteinischen Sorgfaltspflichtsystem verankert?
  • Wann ist überhaupt “ein Bezug” zu einem Staat mit strategischen Mängeln gegeben?
  • Welche speziellen Massnahmen im Sinne von verstärkten Sorgfaltspflichten sind bei Mandaten mit einem Bezug zu Staaten mit strategischen Mängeln sicherzustellen?

Was sind Staaten mit strategischen Mängeln?

Staaten mit strategischen Mängeln werden von der Europäischen Kommission identifiziert. Diese hat auf der Grundlage der EU-Geldwäscherichtlinie (EU) 2015/849 im Rahmen der Delegierten Verordnung (EU) 2016 / 1675 “Drittstaaten mit hohem Risiko” festzulegen.

Es handelt sich also bei Staaten mit strategischen Mängeln um Länder

  • ausserhalb der EU resp. des EWR,
  • welche aufgrund der Bewertung der EU-Kommission unter der Berücksichtigung von Standards und Inputs resp. Beurteilungen der FATF (Financial Action Task Force)
  • Defizite in ihrem nationalen System zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung aufweisen und
  • entsprechend nach Einschätzung der Kommission und FATF ein Risiko für das internationale Finanzsystem und das Finanzsystem der Union darstellen.

Strategische Mängel bei einem Staat können beispielsweise Kombinationen folgender Defizite sein:

  • das Fehlen einer wirksamen risikobasierten Beaufsichtigung von Finanzinstituten
  • Mängel bei Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs von juristischen Personen und Rechtsvereinbarungen für kriminelle Zwecke
  • Mängel bei der Gewährleistung der Verfügbarkeit von Informationen über wirtschaftliche Eigentümer;
  • Mängel in Bezug auf die Kapazitäten der FIU (Financial Intelligence Unit; Anm.: diese ist für Verdachtsmitteilungen zuständig) zur Bereitstellung von Finanzdaten zur weiteren Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden bei Ermittlungen in Bezug auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung;
  • Mängel bei Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen im Bereich der Geldwäsche, die dem Risikoprofil des Landes gerecht würden, und Rückstände bei der Strafverfolgung;
  • Mängel hinsichtlich der Einziehungsverfahren bei Geldwäsche, einschließlich begrenzter Ersuchen um Unterstützung durch die einschlägigen ausländischen Behörden.

Länder, die als Staaten mit strategischen Mängeln identifiziert und in der Delegierten Verordnung (EU) 2016 / 1675 geführt werden, können grundsätzlich durch die Behebung der Defizite und substantiellen Verbesserungen wieder von der entsprechenden Liste gestrichen werden. Sie erarbeiten üblicherweise mit der FATF einen Aktionsplan und u.a. wird die EU-Kommission hinsichtlich Fortschritte bei der Behebung von Mängeln seitens der FATF informiert.

Wo sind Staaten mit strategischen Mängeln enthalten?

Liechtensteinische Sorgfaltspflichtige finden Staaten mit strategischen Mängeln in der sogenannten “Liste A” der Finanzmarktaufsicht (FMA). Zudem waren bis Frühjahr 2023 jene Staaten im Anhang 4 der Sorgfaltspflichtverordnung (SPV) geführt. Hier ergab sich jedoch jüngst eine Änderung.

Delegierte Verordnungen der EU – wie diejenige hinsichtlich Staate mit strategischen Mängeln – sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in Liechtenstein. 

Bis Frühjahr 2023 wurden in Liechtenstein Staaten mit strategischen Mängeln im Anhang 4 der Sorgfaltspflichtverordnung (SPV) aufgeführt. Wie gesagt, ist jedoch eine Umsetzung von delegierten EU Verordnungen in nationales Recht rechtlich nicht notwendig. Aus diesem Grund hat die Liechtensteinische Regierung entschieden, den Inhalt der delegierten Verordnung nicht mehr zusätzlich in Anhang 4 der SPV umzusetzen. Stattdessen wird direkt auf die delegierte EU-Verordnung verwiesen. Anhang 4 der SPV entsprechend ersatzlos gestrichen.

Die FMA führt seit einigen Jahren Staaten mit strategischen Mängeln in der „Liste A“ auf und stellt so sicher, dass die Sorgfaltspflichtigen über die Änderungen der delegierten EU-Verordnung informiert werden. Für die Sorgfaltspflichtigen ergibt sich somit durch die Aufhebung des Anhang 4 der SPV inhaltlich keine Änderung.

Wann ist ein “Bezug” zu einem Staat mit strategischen Mängeln gegeben?

Die FMA-Richtlinie 2013/1 zum risikobasierten Ansatz gibt in Abschnitt 5.2.4 Kriterien für eine Beteiligung zu einem Staat mit strategischen Mängeln vor. Demnach muss bei einer Geschäftsbeziehung oder einer gelegentlichen Transaktion von einer Beteiligung eines Staates mit strategischen Mängeln (nachfolgend «Hochrisikoland») ausgegangen werden, wenn:

  1. die Vermögenswerte in einem Hochrisikoland generiert wurden;
  2. die Vermögenswerte aus einem Hochrisikoland stammen;
  3. Ziel der Gelder bzw. der Mittel ein Hochrisikoland (Sitz des Zahlungsdienstleisters) ist;
  4. der Sorgfaltspflichtige eine Geschäftsbeziehung mit einer natürlichen Person oder
    juristischen Person führt, die in einem Hochrisikoland niedergelassen bzw. ansässig ist;
  5. der Sorgfaltspflichtige eine Geschäftsbeziehung mit einem Treunehmer oder mit einem
    Trust führt, der in einem Hochrisiko-Drittland niedergelassen bzw. ansässig ist, bzw. der
    Trust dem Recht eines Hochrisikolandes unterliegt.

Bezugspunkte zu Staaten mit strategischen Mängeln sind auf Basis jener Informationen
zu prüfen sind, welche den Sorgfaltspflichtigen ohnehin aufgrund der sonstigen SPG-Pflichten (insb. Geschäftsprofil, Transaktionsabklärung) bzw. aufgrund der Geldtransferverordnung (Angaben zum Auftraggeber und Begünstigten) vorliegen bzw. vorliegen müssen. Mit Art. 11a SPG soll keine pauschale zusätzliche Prüf- bzw. Abklärungspflicht etabliert werden, die über jene Informationen hinausgeht.

Verstärkte Sorgfaltspflichten bei Bezug zu einem Staat mit strategischen Mängeln

Sofern bei Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen Staaten mit strategischen Mängeln beteiligt sind, werden folglich zwingend – d.h. unabhängig davon, ob weitere Risikofaktoren vorliegen – verstärkte Sorgfaltspflichten ausgelöst und sämtliche in Anhang 2 Abschnitt B SPG aufgelisteten zusätzlichen Massnahmen sind zwingend in den internen Weisungen des Sorgfaltspflichtigen vorzusehen und zu implementieren:  

Abklärungen anhand zusätzlicher Dokumente, Daten oder Informationen in Bezug auf:

  • die Identität des Vertragspartners und der wirtschaftlich berechtigten Person; den wirtschaftlichen Hintergrund des Gesamtvermögens des effektiven Einbringers der Vermögenswerte;
  • die Herkunft der im Rahmen der Geschäftsbeziehung oder Transaktion eingebrachten Vermögenswerte;
  • den Verwendungszweck abgezogener Vermögenswerte;
  • die berufliche und geschäftliche Tätigkeit des Vertragspartners und der wirtschaftlich berechtigten Person;

Einholung der Zustimmung eines Mitglieds der Leitungsebene, bevor eine Geschäftsbeziehung aufgenommen oder weitergeführt wird.

Einholung von Informationen zum wirtschaftlichen Zweck beabsichtigter oder getätigter Transaktionen.

Häufigere Aktualisierungen des Geschäftsprofils nach Art. 8 Abs. 2 SPG

Intensivierte laufende Überwachung und häufigere Überprüfung von Transaktionen durch Festlegung angemessener Schwellenwerte und geeigneter Transaktionsmuster, die einer näheren Überprüfung bedürfen;

Einholung zusätzlicher Informationen über die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung.

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